Aus der Schulgeschichte

Aus unserem Festbuch zum Jubiläum 2002.
Von Werner Schrimpf.

 

 

Bis zum 12. Jahrhundert gab es keine Schulen im heutigen Sinne. In Kloster- und Domschulen wurden männliche Jugendliche zu einem „gottgeweihten Leben“ hingeführt, um Nachwuchs für die Klöster zu gewinnen. In sog. „Lateinschulen“ wurden Gelehrte und Beamte in folgenden Fächern unterrichtet: Lesen, Schreiben, Religion, Grundzüge der lateinischen Grammatik und Anfänge des Rechnens. In den oberen Klassen wurden noch die sieben freien Künste gelehrt (Grammatik = Sprachlehre,Rhetorik =  Redekunst, Dialektik = Gesprächsführung, Arithmetik = Zahlenlehre, Geometrie = Raumlehre, Astronomie = Himmelskunde und Musik = Tonkunst).

Im Büdinger Land gab es im 15. Jahrhundert die ersten Schulen, so in Ortenberg 1422, Wenings 1466 und Büdingen 1475. Diese Schulen waren Fachschulen für ein Kirchenamt oder für einen bestimmten bürgerlichen Beruf, nicht Bildungsstätte für das Volk.

Da der Buchdruck noch nicht erfunden war, mussten die Bücher noch abgeschrieben werden. Als Lehrmittel gab es den Katechismus, der das „Ave Maria“, das „Gloria“, die „Gebote“ und die „Sakramente“ enthielt. Dazu mussten die Schüler noch Gedächtnisverse, Gebetsbücher, Psalmen, Lieder und das Rechenbrett beherrschen.

Zum Schreiben benutzte man Tafeln mit Wachsüberzug, Griffel und Gänsefedern, Pergament, aber auch Papier und Tinte. Der Schulbesuch Bindsächser Kinder wurde zum ersten Mal im Jahre 1653 bezeugt. Graf Wilhelm Otto von Ysenburg – Birstein, der an der pädagogischen und theologischen Universität in Herborn studiert hatte und am Heidelberger Hof erzogen worden war, ließ in diesem Jahr in den Ortschaften seines Landesteils Verzeichnisse der Bewohner aufstellen, welche 12 Fragen beantworteten: Name, Geburtsort, Leibeigen oder nicht, gehuldigt, verheiratet und mit wem, Kinder mit Namen und Alter, Alter der Eltern, Beruf, eigenes Haus, Religion, Schulbesuch der Kinder, ob Vieh und Wagen. Demnach schickten in Bindsachsen von 16 Familien 11 ihre Kinder in die Schule.

Als Schulmeister wird der Tagelöhner Conrad Schäffer aus Bindsachsen genannt. Er war 40 Jahre alt, lutherischer Konfession, besaß ein Häuslein, 2 Kälber und 2 Leihkühe. Sein Nachfolger war sein Sohn Conrad. Diesem folgte 1711 Sebastian Krauß.

Von 1713 bis 1745 war Peter Schmitt aus Sotzbach Lehrer in Bindsachsen, gefolgt von seinem Sohn Georg bis 1754. Johann Conrad Kuhl aus Hettersroth unterrichtete bis 1791 und dessen Sohn Johann Georg bis zum Jahre 1823 die Bindsächser Kinder.

Bis 1857 hielt sein Sohn Johann Georg Unterricht. Dessen Nachfolger Michael Müller aus Momart (Kreis Erbach) ging 1864 an die Schule nach Wenings. An seine Stelle trat Johann Wilhelm Corvinius aus Altenstadt, der 1878 in Bindsachsen verstarb. 1879 kam Herr H. Hardt aus Aulendiebach an die Schule in Bindsachsen.

Nach 1896 folgten an der zweiklassigen Schule in Bindsachsen die Lehrer Häuser, Schwebel, Uhl, Wellhöfer, Möbius, Diehl, Hachenberger, Uhl und Kochhafen.

 

Die Schulklassen 1 bis 4 im Jahre 1909 mit Lehrer Kochhafen.

 

Im Jahre 1923 trat Herr Artz seinen Dienst in Bindsachsen an. Bis zum Jahre 1963 unterrichtete er die Klassen 5 – 8. Die Klassen 1 – 4 wurden von folgenden Lehrkräften unterrichtet: Knauß, O. Diehl, Feik, Be­cker, Fay, Frl. Prang, Frl. Otto, Müller und Heinz. Nach der Pensionierung des langjährigen Schulleiters Ludwig Artz unterrichteten Herr Heuson und Herr Rüb die Bindsächser Kinder.

1964 wurde Herr Schroth Schulleiter in Bindsachsen. Seit dem 21. Juni 1965 besuchten die Schülerinnen und Schüler der Klasse 5 – 8 (später bis  Kl. 9) die erste Mittelpunktschule des Kreises Büdingen in Kefenrod.

 

Lehrer Werner Schroth mit seinen Schülern der Grundschule Bindsachsen bei der alljährlichen Nikolausfeier im Dorfgemeinschaftshaus, die von den Kindern gestaltet wurde.

 

Im Jahre 1977 wurde er für kurze Zeit von  Herrn Kriechbaum von der MPS Kefenrod vertreten . Am 1. August 1987 nahm Herr Schroth zum letzten mal Schülerinnen und Schüler in die Grundschule Bindsachsen auf. Nach seinem Tod unterrichtete Fr. A. Schmidt von der MPS Kefenrod in Bindsachsen. Ab dem Schuljahr 1988/89 besuchen alle Bindsächser Kinder die Schule in Kefenrod, die jetzt den Namen Herzbergschule trägt. Mehr als 20 Jahre war es mir vergönnt, als Bindsächser auch Bindsächser Kinder an der Schule in Kefenrod zu unterrichten.

Aus den Eintragungen im Haupt-Schulbuch ist zu entnehmen, dass in den Jahren 1853 – 1987 insgesamt 1588 Schülerinnen und Schüler in die Bindsächser Schule aufgenommen wurden. Der stärkste Jahrgang mit 14 Jungen und 7 Mädchen wurde im Jahre 1898 eingeschult, während 1904 nur ein Mädchen eingeschult wurde. Für heutige Zeiten unvorstellbar sind manche Bemerkungen für einige Schülerinnen und Schüler:
- ist unehelich gezeugt
- sehr beschränkt
- leidend
- blödsinnig
- öfters brustleidend
- faul und lügenhaft
- geht nicht mehr in die Schule
- beschränkt und faul
- halsstarrig

Interessant sind auch die Eintragungen über Familien, die nach Amerika auswanderten. Folgende Namen sind hier aufgeführt:
1862 Fam. Sinner
1865 Fam. W. Luft
1867 Fam. Konrad Schließinger
1868 Fam. Konrad Kromm 3., Fam. Konrad Reutzel 6.
1876 Fam. Konrad Vogel
1877 Fam. Konrad Höfling 2., Fam. Heinrich Kaufmann 3., Fam. Christian Kehm
1879 Fam. Adam Lang
1880 Fam. Jakob Kehm, Fam. Johannes Leiß
1888 Fam. Johannes Eifert
1893 Fam. Jakob Vogel

Aus dem Bindsächser Schulleben

Besonders die Schülerinnen und Schüler der „großen Schule“ (Klassen 5-8) waren ein Bestandteil des kirchlichen und kulturellen Dorfgeschehens. Der Schulchor sang bei Beerdigungen. Wenn sich der Leichenzug vom Trauerhaus aus in Bewegung setzte, winkten Schüler, die in Sichtweite bis zur Kirche aufgestellt waren, so dass der Küster wusste, dass er läuten musste. Auch beim Läuten der Kirchenglocken durften ausgewählte altere Schüler helfen und manchmal sogar alleine läuten. In der Kirche durften (mussten) Schüler den Blasebalg für die Orgel treten. Schmerzhafte Erinnerungen haben viele an die Begegnungen mit dem Rohrstock oder dem Lineal des Lehrers, aber auch an die „gute Handschrift“ einiger Lehrer. Mit Unbehagen denken viele auch noch an den Übergang von der „kleinen“ in die „große Schule“. Die neuen  Fünftklässler wurden nämlich zum „Zwiebeln“ in die Ecke zwischen Wohnhaus und Scheune gesteckt und dann von den „Großen“ zusammengepresst. In der „großen Schule“ passierte es fast jedem, dass er 100 – 200 mal Sätze wie „Am Lachen erkennt man den Narren.“ schreiben musste. Die Namen der Übeltäter standen an der Tafel. Zur Freude der „Schreiber/innen“ wurde während des Konfirmandenunterrichtes die Tafel des öfteren vom Pfarrer oder von den Übeltätern selbst „gereinigt“. Während der Erntezeit lichteten sich die Schulbänke, da viele Väter ihren Kindern für die Feldarbeit „frei holten“. An solchen Tagen machte sogar die Feldarbeit Spaß.

In guter Erinnerung sind bei allen Beteiligten auch heute noch die Wanderungen und Radtouren zum Gederner See, zur Ronneburg, nach Büdingen oder auf den  Hoherodskopf. Manchmal wurden sogar Filme gezeigt. Den Film „Der Wettlauf zwischen Hase und Igel“ haben manche 4 – 5 mal gesehen.

Für die Lehrer gab es zwei Wohnungen. Der „kleine Lehrer“ wohnte in der Wohnung an der Schule, der „große Lehrer“ im Schulhaus in der Hauptstraße (heute Lindenstraße). Die Wohnung des „kleinen Lehrers“ musste dem Bau des Dorfgemeinschaftshauses weichen, die Wohnung des „großen Lehrers“ ist heute noch vorhanden.

 

Wohnhaus des "großen Lehrers". Erbaut zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Herr Kochhafen nach Bindsachsen kam. Das Gebäude wurde inzwischen von der Gemeinde Kefenrod verkauft.

 

Quellen:  
A. Fillsack – Aufsatz in der Festschrift zum 600-jährigen Bestehen der Gemeinde Kefenrod
H.-V. Heuson – Aufsatz in der Festschrift zum  75-jährigem Jubiläum des Gesangvereins Sängerlust Bindsachsen
Eintragungen im Haupt-Schulbuch für die (evangelischen) Schule zu Bindsachsen der Jahre 1853 bis 1987