Handwerk und Gewerbe

Aus unserem Festbuch zum Jubiläum 2002.
Von Walter Kehm.

 

 

Die ältesten Überlieferungen von Handwerksbetrieben und Gewerbetreibenden in Bindsachsen stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.



So heißt es in einem Verzeichnis aus dem Jahre 1846:



„Bauhandwerker in der Gemeinde Bindsachsen, welchen Erlaubnisscheine zur Ausfertigung der Nöthigen Padente für 1846 und fernerhin vom Großherzoglichen Kreisrath in Büdingen ertheilt werden, sind wie folgt“:

 

Konrad Velte, Glaser Johannnes Höfling, Schneider
Johannes Maul, Zimmerer Heinrich Kaufmann, Wagner
Konrad Kromm, Schreiner Georg Kehm, Schneider
Georg Reutzel, Maurer Wilhelm Kehm, Schneider
Konrad Günther, Maurer u. Pflästerer Heinrich Kempf, Wagner
Johannes Nagel, Ziegler Georg Suhl, Spinnerei
Johanns Reutzel II., Maurer Konrad Naumann, Schildwirth
Philipp Arndt, Hufschmied Johannes Geiß, Schuhmache

 

In Verzeichnissen nachfolgender Jahre sind weitere Betriebe aufgeführt (1847-1859):

 

Judas Stern, Spinnerei u. Kämmerer Johannes Zimmermann III., Schuhmacher
Jakob Schwab, Huf- u. Grobschmied Joh. Georg Kleer, Grobschmied
Johannes Nage, Ziegelmacher Christian Kaufmann, Wagner
Johannes Zimmermann, Schuhmacher Georg Schwab, Leinweber
Zudreik Stern, Viehhändler Johannes Weber, Zapf- u. Gastwirt
Christian Langlitz, Schneider Heinrich Zimmermann, Fuhren- u. Gastwi

 

Auszüge aus dem Gewerberegister ab 1865:

 

Christian Dettweiler, Leinweber Jonas Grünbaum, Eisenhändler
Christian Groth, Glaser Johannes Kempf, Futter- u. Eierhändler
Konrad Naumann, Schreiner Brod und Weck-Verkauf ohne Backofen
Martin Pfeifer, Schuhmacher Johannes Kleer, Schreiner und Glaser
Konrad Kehm, Schuhmacher Johannes Faust, Maurer, Dachdecker, Weißbinder
Adam Imhofm Unteragent für Geschäfte Jakob Stübing, Schneider
Konrad Reutzel IX., Gast und Schankwirt Carl Friedrich, zum Beherbergen berechtigt
Konrad Maul, Schneider, der keine Stoffe zu den Kleidern liefert  
Wilhelm Kehm, Schildwirthschaft (Herberge für Durchreisende), Brod- u. Weckverkauf  
Konrad Maul, Schneider, der keine Stoffe zu den Kleidern liefert  
Adam Maul, Zimmerer, Agent der West-Deutschen Feuerversicherungsbank zu Essen
 

 

Einladung zur Kirchweih im Weißen Roß (Tageszeitung 1857).

 

Handwerks- und Gewerbebetriebe im 20. Jahrhundert

Im Unterdorf hatte bis Mitte der 90er Jahre das Weißbindergeschäft Günther seinen Sitz und wird seitdem von einem Nachkommen in Nidda-Wallernhausen weitergeführt. Ein Haus weiter arbeitete der Schneider Johannes Maul („Bette Hannes“) bis zum Jahre 1930. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite betrieb die Familie Maul (Kippelschneider) über mehrere Generationen ihr Schneiderhandwerk, das jedoch nach dem frühen Tod von Wilhelm Maul ruhen musste. Konrad Seeger hatte ein Weißbindergeschäft, bis er nach dem 2. Weltkrieg zum  Bürgermeister bestimmt wurde. Konrad Nagelschmidt erzählt heute noch mit Stolz, wie er seinen 1. Lanz-Bulldog persönlich in Mannheim abgeholt hat. Mit ihrer Dreschmaschine fuhren sie zur Kundschaft bis nach Ravolzhausen. Ein großräumiges Schlachthaus mit Verkauf und einen Viehhandel betrieb der Metzger Wilhelm Günther, der Junggeselle war, bekannt als „Keuhirte“, aber auch oftmals einen Schoppen zuviel trank. Die Wagnerei Faust, auch einalter Familienbetrieb, blieb dem Werkstoff Holz treu und stellte, nachdem keine Wagenräder mehr gebraucht wurden, auf Schreinereibetrieb um. Als Bauhandwerker, wie Maurer und Dachdecker, fungierte schon seit Generationen die Familie Günther und beschäftigte mitunter viele Arbeitskräfte. Der Betrieb wurde später von Heinrich Kehm übernommen und bis in die 90er Jahre weitergeführt. Die Metzgerei und Gastwirtschaft Reutzel, auch ein traditioneller Familien-Betrieb, hat das Geschäft immer weiter ausgebaut und konnte 1999 das 100jährige Jubiläum feiern. Gegenüber hatte der „Kleesch“ (Kleers)-Schmidt als Hufschmied seine Werkstatt, gab aber schon früh auf.Zimmermann Johannes Maul erbaute im 19. Jahrhundert schon viele Häuser und Scheunen. Die Familie war unter dem Dorfnamen „Maulhannese“ bekannt (später „Ecke-Kempf“). Eine Schreinerwerkstatt gab es im Hause Kleer („Schreiers“), die aber schon vor dem 2. Weltkrieg aufgegeben wurde. Als Hausmetzger betätigte sich Willhelm Schliesinger, während sein Schwiegersohn Heinrich Kehm („Lang-Schneider“) als Schneider seinen Beruf hatte. Georg Maul betrieb ab den 50er Jahren eine Schmiede und Landmaschinenwerkstatt mit angegliederter Tankstelle. Als Schuster hatte Heinrich Geier (Junggeselle), der mit vielen Katzen lebte, sein Einkommen. Das Geschäftshaus Schnuth handelte mit Kolonialwaren und Textilien, wobei früher, ab 1906, auch ein Gaststätte im Hause war. Karl Friedrich hat auch mehrere Jahre, ab 1948, als selbstständiger Weißbinder gearbeitet.

 

Gastwirtschaft und Metzgerei Reutzel (ca. 1940).

 

Die Dorfschmiede Misar, später Schrimpf, betrieben ihr Handwerk neben einer Landwirtschaft, verpachteten die Schmiede aber später (1937), bevor diese ganz geschlossen wurde. Vielseitig, als Schlosserei, Fahrradhandel etc. betätigte sich Johann Heinrich Maul („Herrche“). In der Erntezeit war er mit seiner Dreschmaschine unterwegs, die bis nach Weihnachten, auch in Nachbarorten, eingesetzt wurde. Auch sein Bruder Jakob Karl Maul hatte einen Dreschereibetrieb. Beide hatten den „Hof“ (heute Herbert Kleer u. Helmut Maul) im Jahre 1908 vom Fürst zu Isenburg-Birstein käuflich erworben. Im Eingang zum „Hof“ stand ein kleines Häuschen („Schäferhäuschen“), in dem sich Adam Kalbfleisch („Ärem“) niedergelassen hatte. Er machte kleinere Schreinerarbeiten, lebte als Junggeselle vor sich hin und trank gern mal einen Schoppen zusammen mit Heinrich Geier, dem fröhlichen Schuster und dem etwas derben „Keuhirte Wilhelm“. Ältere Leute können noch Anekdoten von den Dreien wiedergeben. Auf dem heutigen Anwesen von Heinrich Kehm wohnte früher der Hausmetzger Adolf Naumann („Deutschhobs Adolf“), der aber vor dem 2. Weltkrieg schon weg zog. Sein Sohn Heinrich, der im Steinbruch von Heinrich und Otto Trupp arbeitete, kam bei einem tragischen Arbeitsunfall 1952 ums Leben. Isidor Felsenthal, ein Jude, war Bäcker, Mehl- und Fruchthändler und hatte ein Ladengeschäft. Nachdem er Bindsachsen verlassen hatte, erwarb der Bäckermeister Philipp Schanz, der aus dem Odenwald stammte, das Anwesen und unterhielt eine Gaststätte, eine Bäckerei und ein Lebensmittelgeschäft. Die Gaststätte wurde später aufgegeben, die Bäckerei und  das Lebensmittelgeschäft wurden  von der Familie weitergeführt und erst vor kurzem abgegeben.

 

Anwesen der Geschäftsleute Katharina und Philipp Schanz 1938.

 

Leopold Freimark, auch ein Jude, wohnte als Viehhändler im Nachbarhaus, das dann von Wilhelm Reinhard Ganz gekauft wurde, der hier seinem bei Heinrich Geier erlernten Schuhmacherhandwerk nachging. Einige Häuser weiter waren Höflings, die neben der Landwirtschaft als Schuhmacher mit Hilfskräften tätig waren. In der „Alten Gasse betrieb Heinrich Trupp mit 2 Pferden einen Fuhrbetrieb für Langholz. Bis vor einigen Jahren arbeitete die Schneiderin Berta Schliesinger. Sie hatte überwiegend Damen als Kunden. Ihr Vater Heinrich Schliesinger war früher „Säuhirt“ und Ferkelbeschneider. Als „Blechhannes“ bekannt war Johannes Schäfer, der mit seinem Arbeitsmaterial so verwachsen war, dass er auf die später aufkommenden „Plastik – Kennel“ (Dachrinne) eher allergisch und ablehnend reagierte. Hannes war als Nachfolger von Konrad Seeger eine Periode Bürgermeister. Sein Bruder Konrad Schäfer und Frau Marie führten in der Webergasse (heute Edgar Schäfer) einen Kolonialwarenladen und waren auch nach Ladenschluss immer für die Kunden da. Gegenüber hatte sich der Schreiner Karl Kleer Anfang der 30er Jahre seine Werkstatt eingerichtet, kehrte aber aus dem 2. Weltkrieg nicht wieder heim. August Appel (Vorfahre von Heinrich Appel) besaß eine Wagner- und Stellmacherei und hatte in der noch nicht motorisierten Zeit seine Arbeit. Karl Bauer hatte ganzjährig Beschäftigung, im Sommer als Weißbinder und im Winter als Hausmetzger. Seine Mutter war lange Jahre als Hebamme in Bindsachsen tätig. Die Bau- und Möbelschreinerei Kehm, auch Bestatter, wurde über mehrere Generationen geführt. Als die Landwirtschaft aufgegeben wurde, baute man 1962 ein Ladengeschäft mit Lebensmitteln, das vor Jahren verpachtet wurde. Das Gasthaus „Zum Weißen Roß“, welches vor kurzem den Betrieb einstellte, wurde Mitte des  19. Jahrhunderts von  Heinrich  Zimmermann  eröffnet  und  später  von Wilhelm und Minna Schrimpf in der 4. Generation weitergeführt. Im angrenzendem Saal wurde bis Anfang der  70er Jahre in Abwechslung mit der Gastwirtschaft Reutzel die „Kirb“ abgehalten. Schon vor 150 Jahren nannte die Familie Zimmermann auch eine Ziegelei ihr Eigen, die aber auch zwischenzeitlich verpachtet war.

 

Gaststätte Zum Weißen Roß ca. 1905. Der Saal wurde erst 1911 angebaut.

 

Am Ortsausgang Richtung Wenings erinnerte bis Anfang der 60er Jahre noch die „Ziegelhütte“ daran. Konrad Kleinschmidt betätigte sich als Besenbinder, während sein Sohn Wilhelm eine Schuhmacherei nach dem Krieg eröffnete. Später betrieb die Familie auch einen Kaufladen mit Lebensmitteln und Gemischtwaren. Am Ortsausgang Richtung Wenings wohnte der Landwirt Heinrich Karl Trupp, dessen Vorfahren sich als Zimmerleute betätigten, während Günther Micknaß, der hier eingeheiratet war, um 1950 eine Metzgerei eröffnete. Einen Fuhrbetrieb mit Pferden, später Bulldog und LKW betrieben Fritz und Lina Trupp. Heinrich Maul (Greta-Herrche), Sohn von Johann Heinrich Maul, schaffte sich in den 50er Jahren eine Dreschmaschine an und betrieb dieses Geschäft bis die Mähdrescher kamen und die Dreschmaschinen verdrängten.

 

1965: Landmaschinenwerkstatt und Tankstelle von Georg Maul (heute Anwesen Emrich).

 

Zum Schluss noch eine amüsante, aber wahre Anekdote, die sich in der Zeit um 1920 zugetragen hat:

Der Neffe von August Appel, Heinrich Appel aus Wolferborn, begann bei seinem Onkel eine Lehre. Doch schien ihm dieser Beruf keine rechte Freude zu machen, denn als der Lehrherr nicht daheim war, schrieb er einen Zettel und hängte ihn an die Türe der Werkstatt. Darauf stand geschrieben: „Heinrich Appel lernt nicht Wagner“. Anschließend begab er sich auf den Heimweg. Als der Meister diesen Zettel las, wurde er zornig und folgte ihm durch das Steinbachtal (Stoimich) nach Wolferborn, wo er schnaufend ankam, um den Abtrünnigen zurückzuholen. Er soll ihn jedoch nicht erwischt haben, da dieser sich unterm Bett versteckt hatte. Wie die Geschichte weiterging ist nicht bekannt, Wagner hat Heinrich jedoch nicht gelernt, denn er hat einen anderen Beruf angenommen und soll zufrieden gewesen sein.