Die Bindsächser Kirche

Aus unserem Festbuch zum Jubiläum 2002.
Von Pfarrer Reiner Isheim.

 

 

Vor Hunger, Pest und Krieg bewahre uns, oh Herr. So lautet ein altes Gebet. Darin sahen die Menschen die größten Katastrophen, die sie betreffen konnten, und in denen sie um himmlischen Schutz baten. Bei den damaligen medizinischen Verhältnissen ließ sich gegen Pest und anderen Seuchen nur wenig tun. Anders war es bei Hunger und Krieg. In diesem Falle spielte die Kirche und ihre Gebäude für die Dörfer eine große Rolle.

Geschichte

In Bindsachsen stammen die ältesten Teile der Kirche aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Danach wurde das Untergeschoss des Turmes erbaut. Man sieht es an dem kleinen schmalen Fenster auf der Friedhofseite des Turmes. Durch dieses Fenster konnte kein Mensch in die Kirche eindringen. Es diente zur Sicherheit.
Mehr ist aber aus dieser frühen Zeit nicht erhalten. Um 1475 wird die Kirche zur Wehrkirche ausgebaut. Aus dieser Zeit wird viel von kriegerischen Überfällen in unserer Gegend berichtet. So heißt es für das Jahr 1464: Die Kirche zu Bindsachsen, wie die von Hitzkirchen, Kefenrod und Floßbach wurden aufgebrochen und geplündert.

Die Kriege wurden damals anders geführt als heute. Teilweise waren es mehr guerilliaartige Überfallaktionen. Ein Graf sammelte seine Burgbesatzungen, vielleicht 40–50 Männer, und überfiel mit ihnen die Dörfer seines Kontrahenten. Die Dörfer wurden ausgeplündert, was mitzunehmen war, auf Wagen geladen und weg gekarrt, das Vieh davon getrieben. Wer Widerstand leistete, wurde erschlagen. Für die Dörfer war das eine Katastrophe, wenn so alle Vorräte weggenommen wurden. Mit dem Krieg stand sogleich der Hunger vor der Tür.

Da nutzte man die Kirchen als Fluchtorte. Wenn das Überfallkommando kam, rettete sich wer konnte, mit Hab und Gut, in die Kirche. Die Türen wurden verriegelt, und dann konnte der eigene Graf benachrichtigt werden. Bis dieser allerdings einige Leute mobilisiert hatte und heran geritten war, konnte es aber mitunter bis zum nächsten oder übernächsten Tag dauern. Konnte man sich so lange schützen, war man gerettet. Denn beim Erscheinen der wehrhaften Truppen, zog sich das Überfallkommando in der Regel zurück. Der Vorfall von 1464 zeigt allerdings: Die Kirche von Bindsachsen war nicht sicher. Die Tür wurde in Kürze aufgebrochen. Man baute darum die Kirche gründlich aus. Rund um die Kirche wurde eine hohe Mauer gebaut und mit Schießscharten versehen. Vor der Mauer hat wahrscheinlich eine Grabenanlage bestanden. In diese Anlage führte nur ein Eingang, der sicherlich leicht zu schließen war. Der Turm wurde aufgestockt und erhielt ebenfalls Schießscharten. Diese Wehrkirche bot nun für die Dorfgemeinschaft wesentlich mehr Schutz vor feindlichen Überfällen.

1528 erhielt Landgraf Philipp von Hessen das Recht zur Reformation seines Landes, Hessen wurde evangelisch. Mitte des 16. Jahrhunderts wurde auch die Grafschaft Isenburg und mit ihr Bindsachsen evangelisch.  Die Kirche wurde renoviert und 1584 wurden Kirchenbänke angeschafft. Die Kirche war damit für den Predigtgottesdienst hergerichtet.

Bild der Kirche aus 2002 (Copyright liegt bei Sven Teschke):

 

 

Am 7. September 1796 wurde die Kirche vom durchziehenden Korps Bernhadotte geplündert und als Pferdestall benutzt. Die Bänke wurden verbrannt.
Ganz Bindsachsen litt schwer unter der Einquartierung.

1812 konnte der Einsturz der Kirche nur durch Anlegung starker Stützen aufgehalten werden. Man plante den Abriss und völligen Neubau. Aus Geldmangel wurde jedoch der Plan aufgegeben und die Kirche renoviert.1901 wurde abermals ein Neubau oder zumindest eine Erweiterung geplant. Die Kirche konnte aber für 500 Goldmark instand gesetzt werden. 1966 wurde erneut der Abriss der Kirche zugunsten eines Gemeindezentrums in Erwägung gezogen. Das Gebäude wurde jedoch erhalten und nur die Inneneinrichtung (Orgel, Kanzel, Bänke) entfernt. Beim Umbau entdeckte man Malereien, wohl von 1694, die gotischen und romanischen Fenster. Ab Mitte der 80er Jahre wurden nach und nach Orgel, Kanzel und Bänke wieder eingeführt.

 

Kirche zu Bindsachsen in 1963.

 

Die Glocken

Schließlich war die Kirche auch unverzichtbar bei der Alarmierung. Die Kirchenglocken waren die einzige Möglichkeit, gleichzeitig alle Dorfbewohner zu benachrichtigen, zu warnen und zu alarmieren. So gab es genau bekannte Läutezeichen. Heute ist von diesem Läuten nur noch das Uhrenläuten, das Gottesdienstläuten und das Sterbeläuten übrig geblieben. Aber noch bis ins jüngst vergangene Jahrhundert wurde auch bei Feueralarm die Glocke geläutet, um die Bevölkerung zu alarmieren.

Die Glocken unserer Kirche stammen beide aus dem Jahr 1759. Sie wurden von Johann Peter Bach aus Windecken gegossen. Ihre reiche Verzierung ist bemerkenswert.

 

1933: Geschmückte Kirche vor der Konfirmation.

 

Während des 2. Weltkrieges wurde die größere der beiden Glocken abgenommen und weggebracht. Sie sollte zum Einschmelzen vorgesehen werden, um daraus Munition herzustellen.

Nach dem Kriege erhielt man die Nachricht, dass sich die Glocke im Glockenlager in Hamburg befände. Alsbald konnte sie in unversehrtem Zustand am Hanauer Hafen abgeholt werden und kam an ihren alten Platz zurück.

Obwohl die Bindsächser Kirche ein Alter von bald 800 Jahren hat, war Bindsachsen doch immer eine Filialdorf. Das heißt, dass die Geistlichen nicht am Ort wohnten. Sie kamen von einem der Nachbardörfer. Von der Kirchengründung an bis ins 16. Jahrhundert war das Hitzkirchen. Von der Gründung der Pfarrei Wolferborn (1598) an, war der dortige Pfarrer zuständig, bis schließlich im Jahr 1960 Gelnhaar und Bindsachsen zu einer Pfarrei zusammengeschlossen wurden.

In den vergangenen Jahrhunderten wurde Bindsachsen geistlich betreut von:

 

Eberhard Textor aus Wetter 1598-1599
Heinrich Scholl aus Münzenberg 1609-1613
Gottfried Nobisius aus Herborn 1613-1615
Gabriel Andreas Ploch (Bloch) 1615-1618
Johann Georg Rheineck (Rheineccius) aus Wittelsberg 1618-1622
Bartholomäus Fabricius aus Hammelburg 1622-1625
Damian Philipp Baiel 1625-1628
Johannes Heilmann aus Eich 1629-1632
Heinrich Walther aus Obernhofen 1632-1635
Adam Herrmann Hattenbach aus Rodenberg 1662-1664
Johann Jakob Bruchmann aus Hanau 1664-1684
Johannes Keller (Cellarius) 1684-1696
Ludwig Herrmann Rosa aus Hitzkirchen 1696-1704
Johannes Jakob Keller aus Wenings 1704-1710
Ernst Wilhelm Geller aus Büdingen 1711-1753
Karl Ludwig Sterkel aus Bückeburg 1753-1766
Johannes Mathäus Heinrich Schnödt aus Hanau 1766
Johann Philipp Hartmann Reuther aus Rönstadt 1766-1781
Johann Konrad Wilhelm Klonck aus Eberstadt bei Lich 1781-1786
Johann Heinrich Leonhard aus Rönstadt 1786-1800
Ferdinand Casimir Schnödt aus Hellstein 1801-1813
Georg Heinrich Reutzel aus Wächtersbach 1813-1862
Peter Ganß aus Berkersheim 1862-1871
Wilhelm Junker aus Meerholz 1871-1883
Wilhelm Knöll aus Niederdorfelden 1883-1886
Heinrich Kahl aus Gelnhausen 1886-1893
Hermann Lambert aus Schlüchtern 1893-1898
Peter Maisch aus Mittelbuchen 1898-1903
Karl August Reich aus Preungesheim 1903-1909
Gustav Eberhardt aus Kassel 1909-1919
Heinrich Mink aus Bensheim 1919-1926
Ludwig Maue aus Seelen 1927-1939
Heinrich Geyer aus Hitzkirchen 1940-1943
Ernst Adolph aus Fulda 1944-1946
Adolf Weinel aus Diebach am Haag 1946-1951
Gotthard Meyberg 1952
Ernst Adolph aus Fulda 1953-1960
Ernst Brehm aus Darmstadt 1960-1973
Hansjürgen Günther aus Frankfurt 1973-1977
Andreas Kleeberg aus Leisnig/Sachsen 1978-1987
Angela und Jörg Moxter 1988-1989
Markus Christ aus Gettenau 1989-1995
Reiner Isheim aus Gießen 1996-